Blitzgeräte

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Diese Seiten beschäftigen sich mit Lampen- und Röhrenblitzgeräten aus Volkseigener Produktion

ZBA 10

Kein Blitzgerät, sondern Blitzzubehör, steckt in diesem kleinen Kästchen. Es ist ein echtes Kuriosum und gibt meiner Ansicht nach ein derart beredtes Zeugnis über die DDR-Wirstchaft und das Verhältnis zwischen Luxusgüterproduktion und Preisgestaltung ab, daß ich es hier einmal gesondert herausheben möchte.

ZBA 10

"ZBA" steht für Zweitblitzauslöser. Das ist ein nützliches Zubehör in der Blitzlichtphotographie. Für eine natürlich wirkende Ausleuchtung des Bildes beim Blitzen ist es nämlich empfehlenswert, wenn man mindestens ein zweites Blitzgerät einsetzt, das sein Licht aus einem anderen Winkel abgibt, um Schlagschatten zu vermeiden. Sehr günstig ist es auch, ein zweites Blitzgerät indirekt zu verwenden, um die Tiefe des Raumes aufzuhellen. Der Amateur war für diese Vorgehensweise gut beraten, wenn er beispielsweise ein Akku-Blitzgerät vom Typ SL4 auf seine Praktica steckte und ein Netzblitzgerät vom Typ SL3 zur Aufhellung nutzte. Der Bewegungsspielraum, der sich daraus ergeben hätte, wurde aber sogleich zunichte gemacht durch die notwendige Kabelverbindung zur Synchronisation der beiden Blitzgeräte. Auf westlichen Märkten waren daher seit den 70er Jahren kleine Zusatzbausteine erhältlich, die das Triggern des zweiten Blitzgerätes auf optischem Wege bewerkstelligten. Das aufflammende erste Blitzgerät löste durch eine elektronische Schaltung das zweite Blitzgerät ohne nennenswerte Verzögerung aus. In der DDR gab es so etwas aber lange Zeit nicht zu kaufen. Allein in den Photo- und Elektronikzeitschriften des kleinen Landes wurden regelmäßig Schaltpläne veröffentlicht, die dem Amateur einen Selbstbau ermöglichen sollten.


Es dauerte freilich bis in die späten 1980er Jahre, daß auch mit Elektronik nicht bewanderte Photoamateure in den Genuß eines solchen Tochterblitzgerätesauslösers gelangen konnten. Als Hersteller fand sich der VEB Elektroanlagenbau in Zwickauein Betrieb der eigentlich Umspannwerke baute. Wieso sich ein deratiger Großanlagenhersteller mit solch einem Krimskrams beschäftigte, hat etwas mit der SED-Wirtschaftspolitik zu tun. Unter Honecker wurden die großen Kombinate dazu verpflichtet, einen gewissen Anteil ihres Produktionsvolumens im Bereich der Konsumgüterherstellung zu erfüllen. Bei Betrieben, die Großanlagen herstellten, konnte dieses Volumen leicht mehrere Dutzend Millionen DDR-Mark erreichen, was sich nur schwer in Konsumgüterprodukten umsetzen ließ. Insbesondere die Bindung von stets knappen Arbeitskräften für diese fachfremde Tätigkeit belastete die Betriebsführungen sehr. Nichtselten wurde daher der "Unterrichtstag in der sozialistischen Produktion" bzw. das Schulfach "Produktive Arbeit" genutzt, um solche für einen Betrieb lästige Nebenprodukte austoßen zu können. Das Problem wurde also auf Schüler ab den 7. Klassen umgewälzt, die sich gegen diese stupide Arbeisverpflichtung nicht wehren konnten. Und anschließend wurde das Ganze von Margot Honecker als "polytechnische Bildung der sozialistischen Schülerpersönlichkeiten" gefeiert. Im Falle des ZBA 10 kann ich dies nicht direkt nachweisen, halte es aber für sehr wahrscheinlich.

ZBA 10

Zu auffällig ist das improvisierte Erscheinungsbild dieses kleinen Gerätes. Allem voran die Tatsache, daß offenbar noch vorhandene Gehäuse des Lampenblitzgerätes "L2" bzw. "SL2" verwertet wurden. Dort wo ursprünglich die "sockellose Blitzlampe Narva X1" eingesteckt werden sollte, wurde eine durchbohrte Buchse aus einem abgeschnittenen Blitz-Verlängerunkskabel angenietet, um das auszulösende Blitzgerät anschließen zu können. Der schwenkbare Reflektor der vormaligen Blitzleuchte wurde weggelassen, die Auswurftaste festgeklebt.

ZBA 10 Innenleben

Zweites Kuriosum ist die aufwendige Innenschaltung. Neben dem großen Thyristor KT206 aus der Tschechoslowakei finden sich nicht weniger als vier npn Transistoren vom Typ SC236 der Stromverstärkungsgruppe E ein ungewöhnlich hoher Bauelementeaufwand. Das lag daran, daß es in der DDR keine speziellen Bauelemente für diesen Einsatzfall gab. In westlichen Ländern waren Thyristoren verfügbar, die schon bei extrem kleinen Gate-Strömen zündeten (in der Größenordnung von 100 µA!). Dieser Impuls wurde schon allein dadurch aufgebracht, daß das Blitzlicht auf eine kleine Photodiode (= Solarzelle) fiel und der dabei entstehende Stromstoß den Thyristor direkt zündete. Der im obigen Gerät eingesetzte tschechische Thyristor brauchte mit 10 mA aber einen hundert mal höheren Gate-Strom, um das Blitzgerät auszulösen. Diese Stromverstärkung mußte mit einem zusätzlichen Transistorverstärker aufgebracht werden. Weshalb der Hersteller des ZBA aber gleich vier solcher Transistoren dafür benötigte, ist für mich nicht nachzuvollziehen.


Das Ergebnis dieses elektronischen Aufwandes und der zeitraubenden Bastelarbeit in Zwickau war, daß dieser Zweitblitzauslöser ZBA 10 mit einem Verkaufspreis von 71 Mark und 50 Pfennigen zu Buche schlug. Das war schon fast der Preis eines Netzblitzgerätes. Für den Herstellerbetrieb dieses Zubehörartikels hatte dieser hohe Verkaufspreis aber einen angenehmen Nebeneffekt: Er erreichte auf diese Weise schneller den geforderten Anteil der Konsumgüterproduktion am Gesamtumsatz.




MK 2020