Telefogar

Telefogar 3,5/90

Telefogar 3,5/90mm

Bei diesem kleinen Teleobjektiv, das speziell für die Altix V geschaffen wurde, lagen dieselben optischen Konstruktionsprobleme zugrunde, wie ich sie bereits im Zusammenhang mit dem Zeiss Cardinar 4/100 mm ausführlicher beschrieben habe. Denn auch bei dieser Altix war zwischen dem Objektiv und dem Kameragehäuse ein Zentralverschluß untergebracht; das heißt das komplette Objektiv mit seiner eigenen Blende und Entfernungseinstellung befand sich VOR dem Verschluß. Und auch wenn dieser Tempor 0 der Altix gegenüber dem Verschluß der Werra der nächstgrößeren Verschlußbaugröße angehörte, so war dessen freie Öffnung immernoch deutlich kleiner als die Diagonale des Bildformates. Das brachte gewisse Restriktionen mit sich, wie sie in dieser Weise bei einem Teleobjektiv für eine Schlitzverschlußkamera nicht auftreten würden. Dazu gehörte insbesondere, daß die Größe und Lage der hintersten Linse so gewählt werden mußte, daß eine künstliche Vignettierung (Abschattung) der Bildecken vermieden wurde. Durch den großzügigeren freien Durchlaß des Tempor-Verschlusses von etwa 24 mm mußte beim Telefogar 3,5/90 mm die Blende nicht ganz so weit nach hinten verlegt werden wie beim Cardinar 4/100 mm. Daher kam dieses Objektiv zudem auch, ohne irgendwelche Qualitätseinbußen zu zeigen, mit lediglich vier Linsen aus.

Telefogar 90 scheme

Der Objektivkenner wird im Telefogar sofort den Grundtyp des Sonnarobjektivs erkennen, der in den 1950er Jahren längst schon zum Standardrepertoire der Hersteller gehörte, und der daher auch sehr gut beherrscht wurde. Das ist auch der Grund dafür, weshalb dieses Objektiv trotz des damals sehr geringen Preises von 95,- Mark mit einer erstaunlich guten Abbildungsleistung aufwarten kann. Und das obwohl – um die Vignettierung am Zentralverschluß in den Griff zu bekommen – das Telefogar eine übergroße Frontgruppe besitzt: Der vordere Linsendurchmesser ist 42,4 mm groß, obwohl die Eintrittspupille nur 25,7 mm beträgt.

Meyer Telefogar

Man bedauert schon fast, daß dieses kleine Teleobjektiv serienmäßig nur für die Altix geliefert wurde. Aber für die Anwendung an Reflexkameras hätten andere Gesichtspunkte im Vordergrund gestanden, die auch weniger an optischen Kompromissen erfordert hätten. Daher wurde dann auch bald das Orestor 2,8/100 mm geschaffen, das aufgrund seiner anderen Bauweise mit einem etwas geringen Glaseinsatz auskam und aufgrund der günstigeren Position der Blende später auch auf Blendenautomatik umgestellt werden konnte.

Altix Telefogar

Oben: Das Telefogar 3,5/90 an der Altix. Der Bildwinkel des Aufstecksuchers wurde auf sehr einfache Weise mit einer Abdeckmaske reduziert. Das sich daraus ergebende winzige Sucherbildchen erfüllte freilich nur bescheidenste Ansprüche an die Bildgestaltung.


Unten: Das Telefogar gibt es in diesen beiden Erscheinungsformen. Der Meterring späterer Exemplare bekam Griffmulden verpaßt.

Meyer Telefogar
Telefogar 90 mm 1957

Eine mit der Altix vergleichbare Sucherkamera aus der Bundesrepublik war die Diax-Reihe von Voss in Ulm. Auch diese Kameras hatten vor einen Zentralverschluß der Baugröße 0 gesetzte Wechselobjektive. Hierfür hatte Schneider Kreuznach ein Tele-Xenar 3,5/90 mm geschaffen, das geringfügig kürzer gebaut war, durch die Messingfassung aber deutlich schwerer ausfiel (350 gegenüber 250 Gramm). Auch dieses Tele-Xenar war ein Sonnartyp der einfachsten, vierlinsigen Ausführung.

Altix Diax

Für die direkte Verwendung an der Reflexkamera war das Telefogar auch deshalb nicht gut geeignet, da es aufgrund der kurzen Schnittweite zwischen der Rücklinse des Objektivs und dem Klappspiegel der Kamera ziemlich knapp zugegangen wäre. Für diesen Einsatzfall war es einfach nicht konstruiert. Wenn ab und an einzelne Modelle für die Exakta oder Praktica auftauchen, dann dürften die daher wohl entweder Einzelanfertigungen des Herstellers oder nachträgliche Umfassungen durch Dritte sein, so wie das unten gezeigte Exemplar mit dem M42-Anschluß. Die Schnittweite ist dabei so kurz, daß diese Umbauten nicht an jedem Kameratyp verwendet werden können. Je nach individueller Konstruktion des Schwingspiegelsystems stößt jener nämlich an den hintersten Fassungsteilen an – trotz einigen Nacharbeitens der Rücklinsenfassung (siehe Abb. unten). Sehr angenehm ist allerdings, daß das Telefogar ohne Gegenlichtblende an einer Praktica kaum größer als ein Normalobjektiv ausfällt.

Erwähnenswert ist übrigens, daß auf der Herbstmesse 1954 [Vgl. Bild & Ton 9/1954, S. 255] und der Frühjahrsmesse 1955 [Vgl.  Bild & Ton 4/1955, S. 99.] zunächst ein "Telemegor 4,5/90mm" für die Altix vorgestellt wurde. Im Katalog von 1955 ist es auch enthalten (s. Abb.). Inwieweit dieses Objektiv jemals in den Handel kam, kann ich nicht sagen. Fakt ist nur, daß 1954/55 auch schon der bekannte Universalsucher fertig konstruiert war, der ohne die Wechselobjektive schließlich keinen Sinn ergeben hätte.

Telemegor 4,5/90mm
Telefogar

Das auf M42 umgebaute Telefogar 3,5/90 bei völliger Öffnung der Blende und Fokussierung im Nahbereich.  Der Hintergrund wird dann in totaler Unschärfe aufgelöst. Es wird wohl aber leider kaum jemand diese wunderbaren Eigenschaften des kleinen Teles an einer Altix ausgenutzt haben, weil das bei ihr nötige Schätzen der Entfernung bei offener Blende zu einem Glücksspiel geraten wäre. Praktica BX20, Portra 400.


Unten: Dasselbe in schwarzweiß. Das auf M42 umgebaute Telefogar aus den späten 50ern an einer etwa 20 Jahre jüngeren Praktica DTL3, Tmax 100, R09 1+100. Das Telefogar 3,5/90 zählt zweifellos zu den Geheimtipps unter den DDR-Objektivbauerzeuginissen.

Telefogar
Telefogar
Telefogar

Oben und unten: Mit demselben Objektiv an einer Praktica B200 bei Blende 5,6. Agfapan APX400 aus der letzten Leverkusener Produktion.

Telefogar
Telefogar
Telefogar
Telefogar

Oben: Die Verzeichnung des Telefogars ist für ein derart asymmetrisch aufgebautes Objektiv geradezu beispielgebend behoben worden.

Marco Kröger


Letzte Änderung: 30. April 2024