Diaplan

Diaplan

Projektionsobjektive aus Görlitz für Kleinbild- und Mittelformat-Bildwerfer

Meyer Diaplan 3.5/100

Nachdem sich die wirtschaftliche Lage nach dem Ersten Weltkrieg und der Inflationszeit langsam konsolidiert hatte, begann die Meyer'sche Objektivbauanstalt im Schlesischen Görlitz, sich neue Geschäftsfelder zu erschließen. Neben Aufnahmeobjektiven für Schmalfilm- und Kleinbildkameras wurden insbesondere auch Wiedergabeobjektive für die entsprechenden Projektionsgeräte ins Programm genommen. Während für den 16-mm-Schmalfilm klassische Petzval-Konstruktionen unter der Marke Kinon-Superior herausgebracht wurden, waren für die größeren Bildwinkel und längeren Brennweiten beim Diaprojektor anastigmatisch auskorrigierte Objektivtypen nötig. Die Wahl fiel daher auf den Taylor'schen Triplet-Typus, der eine gute Korrektur bei möglichst geringem Materialeinsatz ermöglichte. Diese Objektive wurden bei Meyer Diaplan genannt. Der optische Aufbau aus drei einzeln stehenden Linsen hatte zudem den großen Vorteil, ohne Verkittungen auszukommen. Bei derartigen Kittgruppen werden Linsen mithilfe des Baumharzes Kanadabalsam miteinander verbunden, was durch den "weichen Übergang" zwischen den Linsen Spiegelverluste an den Grenzflächen vermeidet. Doch derartige Kittflächen sind wärmeempfindlich. Ein Diaprojktor ist aber nun gerade so aufgebaut, daß der Kondensor die Glühwendel der Projektionslampe mitten im Projektionsobjektiv abbildet, sodaß genau an dieser Stelle auch die von der Glühlampe ausgesendete Wärmestrahlung gebündelt wird. Es war daher sehr vorteilhaft, eine Objektivkonstruktion einzusetzen, die von vornherein keine Verkittungen benötigte.

Diaplan 3.5/80

Auch nachdem nach 1945 allgemein sogenannte Wärmeschutzfilter verfügbar waren, die den langwelligen Anteil der Strahlung weitgehend abblockten, und damit die Beschädigungsgefahr der Kittflächen durch Wärmestau stark gemildert wurde, behielten die klassischen Dreilinser ihre Vorzugsstellung als Projektionssysteme in Lichtbildwerfern. Das hatte natürlich auch ökonomische Gründe. Das Projektionsobjektiv war ohnehin das teuerste Bauteil an einem Diaprojektor – es gab daher weder für den Hersteller des Projektors noch für dessen Käufer einen Anreiz, den Preis des Gerätes durch aufwändigere Objektive weiter hochzutreiben. Um dennoch die Gebrauchseigenschaften zu verbessern, ging man den Weg, den bestehenden Typ durch Optimierung des optischen Aufbaus zu verbessern.

Meyer Diaplan 1:3/100 mm

Zunächst lag die Aufgabe darin, ein Projektionsobjektiv mit kürzerer Brennweite zu schaffen. Hatten sich seit den 1930er Jahren die oben gezeigten Diaplane 3/100 mm und 3,5/100 mm als Standard etabliert, so kam man im Laufe dern 50er Jahre zur Einschätzung, daß diese Brennweite für viele Einsatzfälle einfach zu lang war. Mit der Verbreitung des Farbfilmes und demzufolge auch des Diapositivs in den Kreisen der Photo-Amateure rückten nun nämlich auch Diaprojektion immer mehr in deren Interessenbereich. Statt in einem Vortragssaal standen die Bildwerfer jetzt immer öfter in den heimischen Wohnzimmern. Da hier kaum mehr als 3...4 Meter Abstand zur Bildwand erzielt werden konnten, brauchte man eine kürzere Brennweite, um dennoch zu einem ausreichend großen Schirmbild zu gelangen.

Filius Meyer Diaplan 3,5/100

Ein Filius, hergestellt in den frühen 1950er Jahren im VEB DEFA-Gerätewerk Berlin Friedrichshagen und ausgestattet mit dem damals üblichen Diaplan 3,5/100 mm. Die Linsen des Projektionsobjektives sind noch unvergütet. Der damals bereits recht altertümliche anmutende Diaprojektor, der ausschließlich für den DDR-Inlandsmarkt produziert wurde und bewußt nicht in den Export ging,  war ganz und gar für die Heimprojektion gedacht. Für diesen Einsatzzweck waren die 100 mm Brennweite der Projektionsoptik ein wenig ungünstig.

Als im Jahre 1958 der VEB Aspecta dem VEB Kamera-Werke Niedersedlitz angegliedert wurde, um dann im Jahr darauf im neuen Großbetrieb VEB Kamera- und Kinowerke aufzugehen, kam neuer Schwung in den Sektor des Diaprojektoren-Baus in der DDR. Es wurde ein kompakter und formschöner Bildwerfer für Amateurzwecke unter der Bezeichnung Aspectar 150 konstruiert, für den explizit das Diaplan 3,5/80 mm vorgesehen war. Mit diesem Objektiv wurde ein 1x1,5 m großes Schirmbild bei einem "wohnzimmerfreundlichen" Projektorabstand zwischen 3 und 4 m erreicht, wofür mit der bisher üblichen Brennweite von 100 mm fast 5 m Abstand benötigt worden wäre.

Meyer Diaplan 3.5/80

Der Trend ging aber nun deutlich da hin, die Lichtstärke der Projektionsobjektive zu erhöhen, um den Lichtstrom der Lichtwurflampen besser ausnutzen zu können. Wie oben schon erwähnt, bildet der Kondensor die Glühwendel im Projektionsobjektiv ab. Um einen möglichst hohen Wirkungsgrad des Lichtwurfsystems zu erreichen, war es erstrebenswert,  daß das Bild der Glühwendel nicht durch den freien Durchmesser der Objektivöffnung beschnitten wird. Für die damals weit verbreiteten, direkt mit Netzspannung gespeisten Lichtwurflampen mit ihren großen Leuchtkörperabmessungen war eine möglichst große Objektivöffnung daher sehr vorteilhaft.

Meyer-Optik Diaplan 2,8/80mm

Der Grund lag darin, daß im neuen VEB Kamera- und Kinowerke nun ein großes Augenmerk auf eine Geräteentwicklung gelegt wurde, die dem internationalen Stand der Technik entsprechen sollte. Dementsprechend wurde im Jahre 1960 an der Konstruktion eins vollautomatisch arbeitenden Diaprojektors mit Magazinprojektion, Fernbedienbarkeit und integriertem Lüfter gearbeitet, der als Aspectomat 300 herausgebracht wurde. Im Zuge dieser Anstrengungen des Dresdner Werkes auf dem Gebiet der Diaprojektoren wurde bei Meyer-Optik in Görlitz eine neue Serie an zeitgemäßen Projektionsobjektiven berechnet. Der optische Aufwand, der für diese neuen Diaplane 1:2,8 notwendig war, ist für uns heute noch nachvollziehbar, weil er durch ein bundesrepublikanisches Gebrauchsmuster dokumentiert ist [Nr. 1.805.325].

DE1805325 Diaplan 1:2,8

Angemeldet wurde es am 22. Juni 1959. Ein Patentschutz war natürlich nicht mehr möglich, weil es bei unverkitteten Triplets schon seit der Zwischenkriegszeit kaum noch patentfähige Neuerungen gab. Diese einfachen Konstruktionen lassen nur begrenzt Variationsmöglichkeiten zu was Formgebung, Mittendicken usw. angeht. Wohl aber kann man diesen Typus durch Einführung neuer Glassorten weiterentwickeln. So hatte Albrecht Wilhelm Tronnier bereits 1933 ein Triplet berechnet, das in beiden Sammellinsen neuartige, hochbrechende Krongläser enthielt, womit er sehr schlanke Aberrationskurven erzielte [US1.987878]. Das im Zaume halten insbesondere der sphärischen Aberration ist die Grundvoraussetzung dafür, um die Lichtstärke so anheben zu können, wie das für Projektionsobjektive wünschenswert ist. Daher wurde dieses neue Diaplan im Feinoptischen Werk Görlitz nach vergleichbaren Grundsätzen konstruiert. Alle Brechzahlen liegen über 1,6. Front- und Rücklinse bestehen aus dem Schwerkron SK 6, die Zerstreuungslinse aus dem Schwerflint SF 2. Mit diesen schweren Glassorten war das Diaplan nicht minder aufwendig aufgebaut, als die damaligen Aufnahmeobjektive dieses Typs.


Einsparungen im Fertigungsaufwand konnten aber dadurch erzielt werden, indem die Konstruktion des Triplets auf eine plane Rückfläche der Frontlinse ausgelegt wurde (Krümmungsradius = ∞). Das führte quasi zur Einsparung von beinah einem Sechstel der Bearbeitungszeit, weil diese Fläche nur noch plangeschliffen werden mußte. Für ein Objektiv, das in Hunderttausenden hergestellt werden sollte, war das durchaus ein wichtiger Faktor. Außerdem hatte diese Gestalt der Frontlinse auch ihren Anteil an der Erhöhung der Lichtstärke, die gegenüber dem bisherigen Diaplan 1:3,5 immerhin etwa eine ⅔ Blendenstufe betrug. Dies gelang ohne nennenswertes Ausbrechen der Zonenfehler, was für die Anforderungen der Projektion zu einer ausreichenden Schärfeleistung führte. Wie man oben sieht, trug dieses Diaplan 1:2,8 sogar kurzzeitig das Gütezeichen Q, was es als Weltspitzenerzeugnis auswies.

Pentacon 2,8/150

Diese Diaplan-Reihe wurde zur Leipziger Herbstmesse 1960 herausgebracht [Vgl. Fotografie, 12/1960, S. 481]. Sie wurde in den Brennweiten 60 mm (für das Penti-Halbformat), 80 mm (für das Kleinbild) sowie 150 mm (für 6x6) hergestellt, wobei laut Gebrauchsmuster ein erweiterter Bildwinkel von bis zu 39 Grad zugrundegelegt wurde. Dies machte es beispielsweise möglich, mit dem 80-mm-Objektiv auch sogenannte Superslides vorzuführen, die von den kurzzeitig recht erfolgreichen Kameras im Aufnahmeformat 4x4 cm erzeugt wurden, und die mit ihrer Nutzfläche von 38x38 mm einen Bildkreis von 53 ansatt 43 mm verlangten. Auch ließ sich das eigentlich für das Penti-Format gedachte Diaplan 2,8/60 mm im begrenzten Umfang noch für Kleinbildiapositive 24x36 mm nutzen.

Meyer Diaplan 2,8/100 mm

Aus dieser Messe-Vorstellung von 1960 läßt sich aber auch ableiten, daß das Diaplan 2,8/100 mm nicht zur Reihe dieser Neuerscheinungen gehörte. Es es scheint zuvor schon geschaffen worden zu sein, um für den neuen Saalprojektor Aspectar 500 und seinem Nachfolger Aspectar N 24 das betagte Diaplan 3/100 mm aus den 30er Jahren abzulösen. Dieser für den Einsatz in Schulen oder Instituten konzipierte Bildwerfer war bereits auf der vorjährigen Herbstmesse präsentiert worden. Wie die Diaplane 2,8/60; 80 und 150 mm trug auch dieses Diaplan 2,8/100 mm eine Zeit lang das Gütezeichen Q, anschließend das Gütezeichen 1. Im Laufe der 60er Jahre wurden bei den nun in Massen gefertigten Projektionsobjektiven zuerst die Gütezeichen und in der Folgezeit auch die Seriennummern weggelassen.

Meyer Diaplan 3,5/140

Mit einer Lichtstärke von 1:3,5 wurde weiterhin ein Diaplan mit der Brennweite von 140 mm gefertigt, das als langbrennweitiges Zusatzobjektiv für den Aspectar 500, den Aspectomat 300 sowie für alle Nachfolgegeräte mit Wechseloptik angeboten wurde. Nach Eingliederung des VEB Feinoptisches Werk Görlitz in das Kombinat Pentacon Dresden wurden die Diaplane in den 1970er Jahren in "Pentacon AV" umbenannt und in Kunststoff- statt Metallfassungen eingebaut. Optisch blieben sie aber unverändert. Allein für die großen Geräte Pentacon AV 300 bzw. Praktica 250 A mit 250-Watt-Halogenlampe wurde Ende der 70er Jahre noch ein Pentacon AV 2,4/60 mm neu entwickelt, das als Biotar-Typ eine ausgezeichnete Abbildungsleistung lieferte und obendrein in eine hochwertige Metallfassung eingebaut wurde. Zudem gab es in den 80er Jahren noch ein Pentacon AV 4/200, das offensichtlich vom Orestegor 4/200 abgeleitet worden war.

Pentacon AV 2.4/60

Marco Kröger


letzte Änderung: 26. Juni 2023